http://www.fitforlife.ch/2011/08/martin-mattmueller-am-gondo-event-2011/
Durchschnittsläufer an Extremlauf
Martin Mattmüller bezeichnet sich selber als durchschnittlichen Marathonläufer. Weil er aber bei FIT for LIFE einen Startplatz für den Gondo-Event
gewonnen hatte, fand er sich am 6. August 2011 an der Startlinie zum
Doppelmarathon über 84,4 km und 4000 hm wieder. Eigentlich war ihm klar:
«Ohne Bergmarathonerfahrung meldet man sich nicht einfach so an einen
Ultralauf an.» Martin Mattmüller sollte seinen Mut jedoch nicht bereuen und wurde mit tollen Landschaften, netten Kontakten und vielen Emotionen belohnt.
Nach nur sechs Wochen Vorbereitungszeit
stehe ich nun am Start in Gondo. Um mich herum sind Finishershirts mit
Aufschriften von Rennsteig 2011, von Biel 100 km 2011 oder vom K78 (von
der Vorwoche!) gleich mehrfach vertreten. Aus den Gesprächen an der
Pastaparty vom Vorabend und vom Frühstück weiss ich, dass der Grossteil
der Läufer/innen diesen Lauf schon mehrfach gemacht hat.
1. Tag
Vor dem Start wird in einem kurzen
Briefing nochmals über die aktuellen Wetterbedingungen und die
Wegmarkierungen informiert und um 8.15 Uhr geht es los. Jetzt liegen nun
in den zwei Tagen 84 km und rund 4000 m Auf-/Abstieg vor mir.
Rasch bin ich im hinteren Teil des
Feldes. Hier geht es relativ gemächlich zu. In langsamen lockeren Trab
werden die leicht ansteigenden Stücke genommen. Treppen und steilere
Stücke werden von Beginn an gehend bewältigt. Die ersten 24 km steigen
von Gondo (980 m) hinauf auf den Simplonpass (2000 m) und über den 2417 m
hohen Bristinenpass. Vom Gefühl her könnte ich meist gut etwas
schneller laufen. Doch meine Devise heisst: Am Sonntag vor 16 Uhr wieder
in Gondo ins Ziel zu laufen. Also richte ich mich nach den routinierten
Läufern.
Ich verpflege mich regelmässig und lasse
mir dazu genügend Zeit. Nur auf dem Bristinenpass halte ich mich
möglichst kurz auf. Der eisige Wind lässt mich richtig schlottern. Nach
dem Pass geht es mit 600 Höhenmetern auf 5 km tüchtig runter. Nun wird
es warm und schliesslich heiss. 2 km vor dem Ziel gilt es, die Saltina
zu queren. In Gedenken an das Unwetter vom 14. Oktober 2000, als ein
gewaltiger Erdrutsch das Dorf Gondo verschüttete und dabei 13 Menschen
ihr Leben verloren, werden die Läufer nicht über die Brücke gelassen,
sondern müssen den Gebirgsbach gut gesichert durch die Feuerwehr im
Wasser watend durchqueren. Die letzten 2 km werden nochmals richtig
hart. Der staubige sehr steile Hang gibt heisse Sommersonne brutal
wider. Glücklicherweise trifft mich dieses Hindernis nicht
unvorbereitet. Ein Neuling wird von der verschworenen Gondo-Läuferschar
rasch erkannt und erhält gerne detaillierte Informationen über den
Streckenverlauf und Schlüsselstellen.
So sitze ich bald lächelnd, umgeben von vielen strahlenden Mitläufern, beim Bier.
2. Tag
Es regnet, aber meine Beine fühlen sich
gut an. Die 2000 m Auf- und Abstieg vom Vortag spüre ich in erster Linie
an den Oberschenkeln. Bereits um 7 Uhr startet Martin Schmid als
Schnellster vom Vortag, ein klassischer Jagdstart ist also angesagt bis
um 7.30 Uhr die grosse Schar von Läufern, welche 4h30 und mehr gebraucht
haben, auf die Strecke geschickt werden.
Glücklicherweise wird der Regen nicht
wirklich heftig. Da die Strecke bereits nach 500 m wieder tüchtig
ansteigt, kann meine Beinmuskulatur im Vorwärtsschreiten auf
Betriebstemperatur gebracht werden. Auf dem Stockalperweg geht es
Richtung Simplonpass.
Als ich vor zwei Tagen mit dem Postauto
die Simplonstrasse hochgefahren bin, habe ich mit Bangen an das zu
erwartende Leiden bei diesem Aufstieg gedacht. Dass ich am Sonntag mit
so viel Genuss und Freude dieser Strecke folge, konnte ich mir nicht
vorstellen. Der Weg und die Landschaft bieten so viel Abwechslung und
Schönheiten, dass der Aufstieg fast von selbst erfolgt.
Auf der Simplonpasshöhe bei km 18
scheint sogar die Sonne. Die nächsten 12 km stellen so etwas wie ein
vorgezogenes Dessert dar. Auf den leicht abfallenden Wegen und Trails
kann die vom Aufstieg beanspruchte Muskulatur gelockert werden und ich
komme mit einem Runninghigh nach Gabi.
Hier ist die Abzweigung: Für die
Teilnehmer des 28 km Runs geht es durch die Gondoschlucht. Für die
Teilnehmer des Doppelmarathons werden als Krönung 700 Höhenmeter
geboten. Beim knapp einstündigen, sehr steilen Aufstieg und beim ebenso
steilen, fast gleich lang dauernden, läuferischer sehr anspruchsvollen
Abstieg, frage ich mich mehrmals wie Siegerzeiten von Martin Schmid
(total 7:44) und von Lizzy Hawker (total 8:36) überhaupt möglich sind.
Doch am Gondo-Event
wird jeder als Sieger gefeiert und bei der Rangverkündigung namentlich
aufgerufen, um Gratulationen und ein schönes Stück Bergkäse in Empfang
zu nehmen.
Mein Fazit: Dieser aussergewöhnliche
Lauf bietet ein tolles Lauferlebnis, viele Kontaktmöglichkeiten zu
Mitläufern und lokalen Bewohnern, tolle Landschaften, viele Emotionen
und ist auch für einen durchschnittlichen Marathonläufer machbar.